Warum Transformationen oft scheitern …

Ob es nun die Pandemie war oder der immer deutlicher zu spürende Fachkräftemangel dazu geführt hat, dass Unternehmen verstärkt über „Neues Arbeiten“ nachgedacht und eine eingehende Transformation ihrer Arbeitskulturen in Angriff genommen haben, spielt eigentlich keine Rolle. „New Work“ hat sich als Synomym für Transformation und Veränderung in der Arbeitswelt etabliert.

Wie schön wäre es, wenn Arbeit künftig Mitarbeitende stärkt, statt sie zu schwächen und im Dauer-Stressmodus zu haben. Die Produktivität würde steigen, die Mitarbeitermotivation, die Produktivität, die Resilienz, der gemeinsame Erfolg. Zu schön um wahr zu sein?

Der Veränderungs- und Anpassungsdruck auf Unternehmen und Mitarbeitende ist gewaltig, die Treiber für die Transformationspläne vielfältig:

Organisatorische Anpassungen, Kostensenkung, Verbesserung des Kundenservices, Einführung neuer (innovativer) Geschäftsmodelle, Digitalisierung von Abläufen, schnellere Reaktion auf Markterfordernisse oder auch ein Merger von Unternehmen oder Unternehmensteilen.

Strategien werden entwickelt und los geht´s. Aber Veränderungen sind mit jeder Menge Unsicherheit, was die Zukunft betrifft, verbunden. Und Menschen wollen deshalb vor allem eines nicht: Veränderung.

Ein erfolgreicher Wandel hängt deshalb maßgeblich davon ab, wie es in Organisationen gelingt, nicht nur die Bereitschaft und Akzeptanz bei den Mitarbeitenden (und auch Führungskräften!) zu fördern, sondern sie auch für die Veränderung zu befähigen. Ohne die Entwicklung einer Veränderungskultur können die Abwehrmechanismen schnell Energie entwickeln und Prozesse ins Stocken geraten lassen oder sie sogar total zum Stillstand zu bringen.

Warum so viele Transformationsvorhaben nicht die gewünschte Wirkung haben, kann verschiedene Ursachen haben:

1. Schlechte oder unzureichende Kommunikation

Eine Studie des Institutes der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) kommt zu dem Ergebnis, dass nicht einmal jeder zweite Mitarbeitende die Kommunikation zur Strategie und Veränderungsnotwendigkeit als ausreichend transparent und gut erklärt.
Es geht hier nicht darum, Mitarbeitenden diese Aspekte vollumfänglich im Firmenintranet zur Verfügung gestellt, sondern proaktiv durch die Führungskräfte im Dialog nachvollziehbar gemacht zu haben.
Ein Sprichwort sagt: „Wer ein Warum hat, der erträgt fast jedes Wie.“ Deshalb sollte der Kommunikation schon im Vorfeld eines Transformationsvorhabens sehr viel Raum gegeben und zur Schlüsselaufgabe von Management und Führungskräften erklärt werden.

2. Es fehlt ein gemeinsames Zukunftsbild

Am Anfang jedes Transformations-Vorhabens muss ein gemeinsames Zukunftsbild stehen. Das ist aus mehreren Gründen unverzichtbar: Wenn Veränderung vom Ergebnis her betrachtet wird, steigen die Erfolgschancen. Über ein positives Zukunftsbild verbinden sich die Menschen gemeinsam zu etwas Grösserem und haben Orientierung.

Ausserdem wird ein vermeintlich schnödes Change-Vorhaben dadurch emotionalisiert – am besten noch verbunden mit einer entsprechenden Story. Denn Emotionen sind bekanntlich der Treibstoff für Veränderung! Hier muss klar formuliert sein, wo das Unternehmen z.B. in fünf Jahren stehen wird, welche Chancen genutzt und Risiken überwunden wurden und wie die Menschen dann zusammenarbeiten werden. Genau in dieser Präsenzformulierung entsteht so auch ein „Erlaubnis-Raum“, den es zu füllen gilt.

Ein Erlaubnis-Raum verbindet die Transformation mit einem psychologischen Empowerment – einer wichtigen Voraussetzung für die notwendige Selbststeuerung und -organisation der Menschen in einer hybriden Arbeitswelt, wo es immer mehr auf die Bereitschaft von Verantwortungsübernahme bei den Mitarbeitenden und immer mehr Verantwortungsabgabe bei den Führungskräften geht.

Empowerment, ein viel zitiertes und wenig spezifiziertes Buzz-Word, braucht genau diesen Erlaubnis-Raum – Du könntest ihn auch Erlebnis-Raum nennen!
Hier können die Menschen die Fähigkeiten erwerben und einsetzen, um ihre Kompetenz und Leistungsfähigkeit zu steigern. Hier wir den Menschen aber auch ein Gestaltungsspielraum gegeben, um den notwendigen Handlungsrahmen zu entwickeln. Das reicht aber noch nicht: über die Dimension der Sinnstiftung ergeben sich Aufgaben und Aufträge, die es zu erfüllen gilt.
Und schliesslich soll all das ja zur persönlichen Leistungsbereitschaft und dem Spass an der Arbeit führen („ich will das und ich mag das!“)

Wird hingegen vom Ausgangspunkt her gedacht, stehen oft Instrumente oder Tools wie agile Führung und veränderte Hierarchien unter der Überschrift „New Work“ im Vordergrund. Oder moderne und anlassdefinierte Bürokonzepte. Oder Kicker und kostenloser Kaffee und Kekse. Du merkst schon, dass hier die Chancen auf echte Veränderungsenergie eher schlecht stehen.

3. Die Ausgangslage ist nicht transparent

Ohne eine Diagnose auf der Ebene der Teams und Bereiche gerät jedes Änderungsvorhaben zum Blindflug. Was für jeden Nutzer von google-Maps, der von A nach B kommen möchte selbstverständlich und unverzichtbar ist: die Route bestimmt sich zwischen dem aktuellen Standort und dem Ziel!
Wie weit (oder wie nah) eine Organisation der notwendigen Veränderungskultur aktuell ist, lässt sich durch Dialoge und Umfragen feststellen. Beispielsweise lässt sich die sowieso anstehende Umfrage zur psychischen Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz durch die Ergänzung mit entsprechenden Fragen zur wahrgenommenen Arbeitskultur und gelebten Werten ergänzen und gibt so schon einmal gute Anhaltspunkte.
Das Risiko, die falsche Route zu wählen wird so minimiert. Schliesslich wollen wir die Leute da abholen, wo sie gerade stehen.

Es wird #augenhoehe propagiert, wo Organisationen immer noch stark hierarchie- und machtgetrieben sind. Es wird #vertrauen gepredigt, obwohl Kontrolle noch stark verbreitet ist, #fehlerkultur sich auf die Suche nach Verantwortlichen beschränkt und aus Angst Fehler zu machen Entscheidungen auf das notwendigste Mass reduziert werden.
Machen wir uns nichts vor, die Unternehmensflure und -hallen hängen voll mit bewundernswerten Bekenntnissen zu einer modernen Arbeitskultur … aber leider halt nur dort und nicht in den Köpfen der Menschen.

4. Es fehlen die Peer-to-Peer Multiplikatoren

Um Transformationen im Unternehmen voranzubringen, sind Menschen notwendig, die Verantwortung übernehmen. Das geht nur freiwillig mit einer entsprechenden inneren Einstellung. Wie bei jeder Veränderung gibt es die „Voran-Geher“, die early mover. Diese gilt es zu identifizieren und als Multiplikatoren zu gewinnen. Nenne sie Kulturbotschafter oder Überzeugungstäter – egal, wir müssen sie finden und zu unseren Verbündeten machen.

Es ist sicher ein Unterschied, ob der Chef sagt: „lass uns das mal machen, es ist gut für uns.“ Oder ob das auf der Kollegenebene geschieht.
Wie bei einem Feuer, das bekanntlich erst einmal durch einzelne Funken entsteht, und dann sich zu einem Flächenbrand entwickelt. So wird aus einem Veränderungsprozess eine echte Veränderungs-Bewegung! Wie der Stein, der – einmal ins Wasser geworfen – eine Wellenbewegung erzeugt.

Dabei kann so eine Funken-Gruppe durchaus agil unterwegs sein: mit dem Ohr am Puls analysieren und wichtige Informationen gewinnen. Anschliessend können daraus Handlungsoptionen abgeleitet und Veränderungen getestet werden. Weil eine Transformation ein lebendiger Vorgang ist, besteht dann die Chance, Prozesse und Strukturen der Entwicklungsgeschwindigkeit anzupassen.

5. Es gibt zu wenig Beteiligung – oder zu viel

Die Dosis macht das Gift. Tatsächlich ist Change immer ein Balanceakt. Er kann nicht autoritär von oben verordnet werden, aber auch nicht jeder kann oder möchte jederzeit mitreden. Verordnete Veränderungen erzeugen Widerstand. Deshalb empfiehlt es sich, gerade bei der Entwicklung eines Zukunftsbildes Mitarbeitende und Führungskräfte aus allen Bereichen und Hierarchien sowie einen vorhandenen Betriebsrat einzubinden, um möglichst viel Commitment zu erzielen.

Immer wieder höre ich bei Change-Vorhaben von den Mitarbeitenden: „lasst uns doch mit diesen Themen in Ruhe, wir kommen gar nicht mehr zu unserer eigentlichen Arbeit.“ Ja und Nein – wir unterscheiden zwischen Arbeit im System (und diese ist hier von diesen gemeint) und Arbeit am System. Letztere ist eine Investition in die Zukunft und wirkt vielleicht im Moment als unnötiger Ballast. Hier kommt es wieder mal auf die Überzeugungskunst und Kommunikationsfähigkeit der Führungskräfte an – aber natürlich auch auf das Maßhalten zwischen beiden Herausforderungen.

New Work soll die Effizienz steigern, gleichzeitig aber auch zu einer Humanisierung der Arbeit führen. Die interne Kommunikation muss immer die Fragen nach dem Warum, dem Was und dem Danach klar beantworten. Gründe, Inhalte und Folgen der New-Work-Initiative des Unternehmens müssen breit und umfassend in den Köpfen verankert werden. Ein gut etabliertes Netz von Multiplikatoren ist dabei äußerst hilfreich.

6. Es fehlt ein klar definiertes Führungsleitbild

Führung ist eines der heikelsten Themen im Zusammenhang mit Veränderung, denn Führung bedeutet immer auch Macht. Die abzugeben, ist für viele ein Problem. Im Zuge von alternativen Führungskonzepten werden das Herrschaftsproblem – wer entscheidet? – und das Verteilungsproblem – wie wird verteilt? – neu verhandelt. Darin steckt ein erhebliches Konfliktpotenzial. Deshalb müssen die Fragen zur künftigen Führung unbedingt geklärt werden.

Schlechte Führung dient als Vorbild für weitere schlechte Führung. Kündigungsgrund Nummer 1 bei Mitarbeitenden ist die direkte Führungskraft, nicht etwa der Frust oder die Angst durch Veränderung.

In Unternehmen erlebe ich, dass Führungsleitbilder oft nicht bekannt sind oder aber einer Zeit entstammen, die am besten mit dem Begriff „Command-and-Control-Zeitalter“ beschrieben werden kann.

Führung geht heute anders – oder besser gesagt das Führungsklavier hat zusätzliche Tasten bekommen. Einer Umfrage zufolge war zu Beginn der Corona-Pandemie übrigens der Kontrollverlust mit Abstand die grösste Sorge von Führungskräften.
Somit beginnt Führung immer bei Selbstführung, und diese müssen wir durch ein gemeinsames Verständnis entwickeln, welche Werte, welches Mindset und welche Führungsrituale am besten geeignet sind, den anstehenden Transformationsprozess zu unterstützen.

7. Mitarbeitende werden nicht weiter qualifiziert

Neues Arbeiten erfordert eine Qualifikationsoffensive – die eine notwendige Investition mit entsprechendem Geldbedarf bedeutet. Wir können nicht zigtausende Mitarbeitende ihrem Schicksal in den Homeoffices überlassen. Selbstorganisation und -regulation erfordert neue Kompetenzen: kommunikative, kollaborative, kreative, technische. Aber auch kritisches Denken, Informationskompetenz und Problem- und Konfliktlösungsfähigkeit.

Wenn Mitarbeitende in neue Arbeitssituationen gedrängt werden, für die sie sich nicht vorbereitet fühlen, sind Transformationen zum Scheitern verurteilt.

Selbstorganisation bedeutet nicht ein uneingeschränktes Freiheitsversprechen. Vielmehr handelt es sich um geregelte Freiheit. Dabei sind zu wenige Regeln genauso gefährlich wie zu viele Regeln. Selbstorganisation braucht ein Minimum gut durchdachter Regeln, die wie Leitplanken wirken. Regeln sollten dabei ständig auf ihre Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit überprüft werden.

8. Strategieumsetzung ohne Weiterentwicklung der Kultur

„Culture eats strategy for breakfast.“ So formulierte es Peter Drucker, ein US-amerikanischer Ökonom österreichischer Herkunft bereits Mitte des 20. Jahrhunderts. New Work basiert auf einer Vertrauensebene zwischen den Mitarbeitenden und der Geschäftsleitung. Ohne Vertrauen ist keine tiefgreifende Transformation möglich. Deshalb ist eine kulturelle Weiterentwicklung im Unternehmen alternativlos, wenn der Change zum Erfolg werden soll (und das soll er doch auf jeden Fall, oder?).

Die grösste Herausforderung besteht folglich darin, überall dort, wo es möglich ist, vorhandene Angstkulturen durch Vertrauenskulturen zu ersetzen. Ein paar praktische Tipps für die Entwicklung von Vertrauen:

• Achte auf die Einheit von Wort und Tat. Kommuniziere ehrlich und ohne versteckte Agenden.
• Beziehe bei der Planung von Veränderungen möglichst alle Stakeholder ein, um unterschiedliche Perspektiven zu bekommen.
• Arbeite mit Vertrauensvorschüssen. Toleriere Sie anfängliche Skepsis und Zurückhaltung. Plane keine Vergeltungsaktionen bei Vertrauensbruch.
• Sei vor allem authentisch. gehen Hand in Hand.
• Reduziere Kontrollmechanismen.
• Entschuldige Dich für Fehler.

Die Organisationskultur ist entscheidend für den Erfolg von jeglicher Transformation. Veränderung beginnt immer bei uns selbst – und gleichzeitig ist sie oft die grösste Herausforderung.

Vier echte Wertedimensionen nehmen dabei eine Schlüsselstellung ein: Kompetenz, Sinn, Selbstbestimmung und Macht.

Das Kompetenzerleben in einer Organisation äußert sich zum Beispiel darin, dass alle Mitarbeitenden eine Entwicklungsperspektive haben und auch kompetenter als ihre Führungskräfte werden dürfen.Die Wertschätzung sinnvoller Aufgaben entwickelt sich, wenn sinnlose Aufgaben sichtbar gemacht und abgelehnt werden können. Selbstbestimmung ist gleichbedeutend mit dem Verzicht auf kleinliche und angstgetriebene Kontrollen und einer eigenständigen, ergebnisorientierten Gestaltung des Arbeitsalltags. Der Umgang der Organisation mit Macht manifestiert sich in den konkreten Einflussmöglichkeiten, die die Organisation ihren Leuten einräumt. Finden ihre Argumente Gehör? Können sie echten Einfluss auf Entscheidungen nehmen? Wird auch ein Nein akzeptiert?

Eine Vertrauenskultur ist die beste Basis für Veränderung. Denn Veränderung geht nur mit den Menschen.

Kultur ist immer da, denn sie ist die Summe der Menschen mit ihren Überzeugungen, Artefakten, Symbolen, Helden, Ritualen und Werten. Und sie verändert sich laufend. Es ist wertvoll das zu wissen. Denn wenn wir das wissen, können wir die Kultur auch im Sinne einer optimalen Grundlage zu unseren Veränderungsvorhaben weiterentwickeln.

Damit Transformationen das halten können, was wir uns von ihnen versprechen!